Luxus-Boom bei Onkel Ho

Good Morning Vietnam - ein ganzes Land im Aufbruch
 


Wo vor über 30 Jahren die Helikopter der US-Armee im Krieg über grüne Reisfelder und endlose Strände donnerten, wachsen heute Edel-Resorts und Luxus-Hotels wie Pilze aus dem Boden. Ganz friedlich und kaum beachtet. Ausgerechnet das sozialistische Vietnam setzt in Sachen Tourismus ganz auf 5-Sterne-Nobelherbergen und All-inklusive-Pakete. Alles vom Feinsten - und sogar bezahlbar.
Auf der Straße ist der gute alte „Onkel Ho“ wie die Vietnamesen ihren verstorbenen Revolutionshelden Ho Chi Minh liebevoll nennen überall präsent. Ob in der Hauptstadt Hanoi, in Hue oder Saigon - überall grüßt das Konterfei des legendären Anführers der seinerzeit so gefürchteten Viet Cong überlebensgroß von Häuserwänden und Laternenpfählen. In entlegeneren Gegenden winkt der alte Mann mit dem Spitzbart gerne auch mal von wuchtigen, roten Plakaten mit Hammer und Sichel. Mitten im Reisfeld. Zwischen Wasserbüffeln und Erntearbeitern. Besonders in diesem Jahr, da die kommunistische Partei Vietnams ihren 80. Geburtstag feiert. Doch das war es dann auch schon mit Kommunismus. Denn Vietnam ist auf dem Sprung in die Moderne. Es gibt buchstäblich alles zu kaufen. Vom riesigen Flachbild-Fernseher bis zum neuen Audi Q7. Planwirtschaft war gestern und beim Anblick des neuen Vietnam würde Onkel Ho sich vermutlich im Grabe herum drehen…

Herr Suong, Reiseleiter beim staatlichen Unternehmen „SaigonTourist“, ist jedenfalls Mitglied in der Partei. Doch über die spricht er nicht so gerne. Vielmehr freut er sich, dass man sein holperiges Deutsch, das er in der DDR als Austauschstudent für Forstwirtschaftslehre gelernt hat, gut verstehen kann. Und mächtig stolz ist Herr Suong. Auf dem Weg von Hanoi in die atemberaubende Halong-Bucht wird überall gebaut. Internationale Konzerne ziehen Fußballfeld große Komplexe hoch. Offenbar auch deutsche Unternehmen, wie Herr Suong eifrig, mit eindeutig Magdeburger Dialekt versichert: „Guggen Sie rechts, do ist die Firma Seidenstickar“ (gemeint ist der deutsche Edelhemden-Produzent). Der gewaltige Wirtschaftsboom findet seine Fortsetzung im Tourismus: Wer sich einmal richtigen Luxusurlaub zu bezahlbaren Preisen gönnen will, ist in Vietnam goldrichtig.


Unsere Rundreise beginnt nach zwei Nächten im quirligen, von Mopeds völlig überfüllten Hanoi, mit einer Luxuskreuzfahrt auf einer Dschunke in der legendären Halong Bucht. Hier wurde 1974 der Bond-Streifen „Der Mann mit dem goldenen Colt“ gedreht. Gemächlich gleitet die ganz aus Tropenholz gebaute MS Bhaya Classic (40 Passagiere) mit tuckerndem Motor und gesetzten roten Segeln durch eine Traum-Kulisse (UNESCO-Weltnaturerbe). Vor mehr als 11.000 Jahren versank hier ein ganzes Gebirge im Meer, so dass heute nur noch die Bergspitzen der Kalksteinfelsen aus dem Wasser ragen. Angeblich sind es 1.969. Beim Sundowner auf dem Sonnendeck erklärt Kapitän Nguyen van Giang, dass Vinh Ha Long auf Deutsch „Bucht des untergetauchten Drachens“ bedeutet. Und tatsächlich: Als das Schiff im abendlich aufkommenden Nebel auf bizarre Felsformationen zusteuert, sehen einige wirklich aus wie mystische Fabeltiere, die aus der Tiefe emporsteigen.





Menschen leben hier nur wenige. Der Besuch bei einem schwimmenden Dorf vietnamesischer Fischer ist ein echtes Highlight. Mit Ruderbooten geht es zu ihren schrill-bunten Häusern, die allesamt auf Plastikfässern treiben. Es gibt ein einfaches Restaurant, einen Souvenirladen, sogar eine kleine Schule. Teilweise leben die Fischer von der Austernzucht, müssen die Meerestiere in mühseliger Kleinarbeit für die Unterwasserfarmen präparieren. Alles geht nur per Boot. Einkaufen, die Post, selbst Gassi gehen mit den tatsächlich vorhandenen Dorfhunden.
Absolut beeindruckend: Riesige Tropfsteinhöhlen haben sich über die Jahrtausende in einigen Bergkegeln gebildet und können über lange Stege und steile Stiegen besichtigt werden. An Bord wartet abends ein perfektes Dinner. Mit Edelfisch aus der Halong Bucht, was sonst? Serviert von einer Crew, die für die Gäste auch schon mal ein Ständchen bringt. Erst weit nach Mitternacht fallen die letzten Gäste in ihren Mahagoni getäfelten Kabinen in die weichen Betten.


Die nächste Station: Da Nang. Zu Beginn des Vietnamkrieges gingen 1965 an der China Beach die ersten US-Kampftruppen an Land. Wo seinerzeit schwere Gefechte tobten, entstehen derzeit immer mehr Luxus-Resorts, die es ohne weiteres mit Herbergen an der Côte d’Azur aufnehmen könnten. Mit echten Innovationen. Oder kennen Sie ein Hotel, bei dem sämtliche Spa-Anwendungen (auch eine 60-minütige, asiatische Tiefenmassage) im Preis mit inbegriffen sind? Im Fusion Maia geht das. Jede Beach-Villa verfügt über einen privaten Pool, der feinweiße Sandstrand am Südchinesischen Meer liegt direkt vor der Tür. Louk Lennaerts (52), ein etwas nervöser, bärtiger Exil-Holländer, der seit 19 Jahren in Vietnam lebt, hat das visionäre Konzept mit modernster Architektur und vietnamesischen Elementen entwickelt. „Hier in Vietnam kann man neue Wege gehen. All inklusive haben doch alle. Wir gehen noch weiter. Wlan und sämtliche Spa-Treatments sind ohne Aufpreis. Das Modell werden Sie bald überall finden.“ „Warum laufen denn die Facebook-Seiten nicht“, beschwert sich plötzlich ein braun gebrannter Australier an der Rezeption. Schon ist Louk zur Stelle und erklärt, dass (leider) von der vietnamesischen Regierung (noch) einige Internetseiten, wie Facebook oder Twitter gesperrt sind. Alle anderen sind aber erreichbar.




Vom Luxus-Resort zu den beeindruckenden Marmor-Bergen ist es nur ein Katzensprung. In Da Nang kann man sogar ein Auto mieten, was in Hanoi ohne einen Gang zur örtlichen Polizeistation und einer zweitägigen Wartezeit niemals möglich wäre. Echtes Indiana-Jones-Gefühl kommt auf, als wir durch die weißen Felsformationen bis zu einem unterirdischen Tempel klettern, auf den einige wenige Sonnenstrahlen durch die 50 Meter hohe, teilweise eingestürzte Höhlendecke fallen. Der Singsang buddhistischer Mönche hallt durch die Gänge, ein tiefer Gong schmettert aus einem weiteren Tempel zum Gebet und eine alte Frau an einem Schrein bindet vorbeikommenden Touristen für einen US-Dollar rote Baumwollbänder ums Handgelenk. Big Luck, großes Glück, verspricht sie. Allerdings erst, sobald das Bändchen abfällt – was schon mal bis zu einem Jahr dauern kann. Wenn man nicht einen der zahllosen Marmor-Buddhas, -Drachen oder –Brunnen erstehen will, fährt am besten gleich auf den Hai Van oder auf Deutsch „Wolkenpass“ (20 km lang, 496 Meter hoch), der Vietnam in Nord und Süd teilt. Von dort hat man angeblich einen fantastischen Panoramablick über den Ozean. Nur ist der Name Programm: Meist ist der Pass in absolut dichte Nebelwolken gehüllt. Auf der einen Seite mildes, auf der anderen Seite subtropisches Klima.

Wer Vietnam wirklich entdecken will, muss den Zug nehmen. Zehn Stunden dauert allein die nur 500 Kilometer lange Reise nach Süden, Richtung Nha Trang. Der „Reunification-Train“ (Wiederverei-nigungszug) verbindet Hanoi mit Saigon. Die komplette Fahrt mit dem etwas in die Jahre gekommenen „Intercity“ dauert ewige 36 Stunden. Dafür zieht vor den Fenstern des Abteils eine Landschaft vorbei wie im HD-Discovery Channel. Unendliche, satt-grüne Reisfelder, auf denen Wasserbüffel Ackerfurchen ziehen. Immer wieder Kolonnen von hart arbeitenden Bauern mit ihren kegelförmigen Strohhüten, die Setzlinge pflanzen. Plötzlich leuchten bunte Gräber inmitten von Plantagen auf oder die Gleise teilen ärmliche Holz-Dörfer einfach in zwei Hälften. Dann schnauft der Zug in die Berge der Provinzen Gia Lai und Phu Yen. Eine Landschaft wie im Kino-Reißer „Apocalypse Now“. Mal dichter Dschungel, mal von Flüssen durchzogene Ebenen. Abenteuer pur. Denn trotz TÜV-Nord-Zertifikat (!) im Bahnhof, geht ein uniformierter Bremser mit schwerem Hammer von Waggon zu Waggon, klopft auf die manchmal wohl etwas eingerosteten Bremsscheiben.





An den zahlreichen, kleinen Stationen herrscht dichtes Gewusel. Als einer der wenigen „Westler“ auf den Bahnsteigen überragt man die Menge, erntet für seine 1,85 Meter auch schon mal ein freundliches Kichern. Dass im Abteil drei kleine Mäuse mitreisen, nimmt man einfach in Kauf. Ebenso wie den etwas beißenden Geruch aus dem blechernen Servierwagen des Schaffners, der eine beliebte Hühnersuppe namens „Pho“ gleich selbst ausschenkt.



Etwas erschöpft, ist man froh, die nächste Edel-Herberge zu erreichen. Das Evason Ana Mandara der Luxus-Resort-Kette Six Senses in Nha Trang sucht ebenfalls seines Gleichen: Dinner auf der Terrasse des Kolonialstil-Restaurants im Sonnenuntergang, danach Relaxen in der Beach-Villa im Tropengarten. Was gleich auffällt: Hier muss für die Massagen im wundervollen Spa-Bereich noch bezahlt werden (100 Dollar!). Am nächsten Morgen füttert ein frisch vermähltes, vietnamesisches Pärchen die Koi-Karpfen im Resort-Teich. Das klassische Hochzeitsbild entsteht vor einer Bucht wie auf einer Foto-Tapete. Es ist Freitag, kurz vorm Wochenende - genau der Richtige Zeitpunkt für den letzten Teil der Reise: Ho Chi Minh City oder auch Saigon.



Mit Vietnam Airlines (supermodern, toller Service) geht es in etwa 40 Minuten in die alte Hauptstadt der ehemaligen französischen Kolonie. Die hat ihre Spuren auch in der boomenden Metropole (7,2 Millionen Einwohner) hinterlassen. Meist gelb gestrichen und stuckverbrämt finden sich die prächtigen Kolonialbauten der Jahrhundertwende zwischen Plattenbauten aus echt sozialistischen Tagen (Wiedervereinigungspalast) und Glasfassaden der neusten Generation. Sogar eine Kathedrale namens Notre Dame haben die Franzosen in die Stadt gesetzt. Wie in Hanoi versinkt Saigon in einem Meer von Mopeds. Wer hier nicht überfahren werden will, muss einfach todesmutig die Straße überqueren. Vor den großen Hotels starten meist Amerikaner in Shorts, weißen Sportsocken und Sneakers gleich gruppenweise zu den beliebten „Tunnel Rat Tours“.
Direkt vor den Toren Saigons zwängen sie sich durch alte, weit verzweigte unterirdische Stellungen des Viet Cong, die im Krieg von US-Spezialeinheiten immer wieder vergeblich ausgeräuchert wurden.
Eher lohnt ein friedlicher Besuch auf einem der zahlreichen Märkte, in den Museen oder einer Vorstellung des Wasserpuppentheaters. Das gibt es übrigens nur in Vietnam. Die Puppenspieler stehen hinter einem Vorhang bis zum Bauch in einem Wasser–Bassin, manövrieren die kunstvoll lackierten Marionetten an langen Stöcken durch das Becken. Und mutige Helden bestehen tapfere Abenteuer gegen Löwen oder feuerspeiende Drachen. Ein Musical eben - aber auf Vietnamesisch.

Das würde übrigens auch dem guten alten Onkel Ho immer noch sehr gut gefallen. Schon allein wegen des geradezu sozialistischen Eintrittspreises von gerade einmal 3 Euro...

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Infos:

Für eine Reise nach Vietnam benötigt man ein Visum der Botschaft der Sozialistischen Republik Vietnam. Man sollte mit ca. zwei Wochen Bearbeitungszeit rechnen. Kosten: 67 Euro pro Person  www.vietnambotschaft.org

Beste Reisezeit: Dezember bis Mai. Von Juni bis Oktober herrscht Regenzeit, allerdings nur mit vereinzelten Schauern am Nachmittag. Generell herrscht im Norden eher gemäßigteres Klima, im Süden subtropisch warmes Wetter.

Impfungen: Hepatitis A und B sind empfohlen sowie Tetanus-Schutz. Für alle Fälle können Malaria- Tabletten mitgeführt werden.

Währung: Vietnamesischer Dong. ein Euro sind ca. 40.000 vietnamesische Dong. Man kann fast überall auch mit US-Dollar bezahlen (kleine Stückelung ist ratsam). Banken tauschen auch Euro.

Medizinische Versorgung: Der Standard in Vietnams Krankenhäusern ist generell gut.

Verhalten: Grundsätzlich gilt in Asien - Freundlichkeit und Bescheidenheit ist Trumpf. Offiziell begrüßt man sich mit zusammengefalteten Händen und leichter Verbeugung, in Vietnam ist das Händeschütteln mittlerweile überall akzeptiert. Berührungen (Umarmungen, Kopfstreicheln) sind verpönt. Private Einladungen lehnt man zunächst dankend ab (oft ist das nur eine Höflichkeitsfloskel), erst beim zweiten Anlauf sagt man zu. Sehr beliebt ist auch der Austausch von Visitenkarten.

Sicherheit: Vietnam ist ein Land mit wenig Kriminalität. In größeren Städten auf Märkten sollte man aber vor Taschendieben auf der Hut sein.

Weblinks:

Visum: www.vietnambotschaft.org

Airline: www.vietnamairlines.com

Edel-Resorts (von Nord nach Süd):

Hanoi (Stadtzentrum): www.sofitel.com

Hanoi als Reiseziel eingeben (ab 85 Euro / p.P. / Nacht).

Halong Bucht (Dschunken-Kreuzfahrt): www.bhayacruises.com

(2-tägige Kreuzfahrt ab 145 US Dollar p.P).

Da Nang (Beachfront, China Beach): www.fusionmaiadanang.com

(ab 145 US-Dollar p.P / Nacht für eine Beach-Villa inkl. Private Pool, alle Spa-Anwendungen Inklusive, Sieger Stiftung Warentest)

Nha Trang (Beachfront): www.sixsenses.com/Evason-Ana-Mandara-Nha-Trang

(ab 200 US-Dollar p.P für 3 (!) Nächte in einer Beach-Villa, inkl. 90-minütiger Yoga oder Meditations-Sitzung).
Saigon (Stadtzentrum): www.saigon.park.hyatt.com (ab 140 US-Dollar p.P / Nacht inkl. Frühstück mit Pho-Suppe)

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